San Francisco in Kalifornien USA
Die goldene Stadt mit dem einzigartigen Flair – jeder sollte einmal hier gewesen sein!
San Francisco kann man am besten mit dem Bus entdecken.
Die beste Art für Erstbesucher, „everyone’s favorite city“ zu entdecken? Mit dem Bus Nummer 30 durch alle wichtigen Stadtviertel. In gemütlichem Tempo macht das Vehikel eine Schleife durch fast alle Viertel auf San Franciscos touristischer Landkarte. Etwa 50 Minuten dauert die Stadtrundfahrt vom neuen Baseballstadion im ehemaligen Industrieviertel South of Market (SoMa) quer durch Downtown hinauf bis fast ans Golden Gate und wieder zurück. Das Ticket kostet gerade mal einen Dollar.
Einen Fahrplan gibt es nicht, die Fahrzeiten werden nur geschätzt:
Ungefähr alle sechs Minuten fährt ein Bus. Theoretisch. Manchmal kommen aber auch drei gleichzeitig. Und dann ewig keiner. Wie soll man das auch planen bei diesem Verkehr? Seit fünf Minuten steckt der Bus jetzt fest. Stockton Street zwischen Clay und Washington, kurz hinterm Tunnel, mitten in Chinatown. Vorn, hinten, in den Querstraßen – nichts geht mehr. So ist das nun mal auf der Linie 30, so ist das in Chinatown, dem am dichtesten besiedelten Viertel von San Francisco. Im Bus drängeln sich stämmige Hausfrauen mit Einkaufstaschen und in Polyesterblusen, hagere Männer auf dem Weg zur Arbeit in einer der Garküchen rechts und links der Stockton Street. Es mufft nach Mottenkugeln und Kölnisch Wasser. Ungeduld kommt auf. Die Türen öffnen sich, schnell verschwinden die Fahrgäste im Geschiebe auf dem überfüllten Gehsteig. Chinatown am Vormittag wimmelt und schubst. Platz ist rar vor den Geschäften, deren Waren sich auch auf dem Trottoir stapeln. Das ganze Viertel platzt aus den Nähten, breitet sich aus auf die umliegenden Häuserblocks. Es riecht abwechselnd nach Jasmin, mal nach Räucherstäbchen, Ingwer, Tee und frischem Fisch. Chinesischer Heavy Metal scheppert neben dem sanften Plingplong traditioneller Volksmusik. Um die Ecke ist Ruhe. Schmale Gassen, manche nicht breiter als eine Reismatte, durchziehen Chinatown abseits des geschäftigen Lärms. Dort wachen alte Mütterchen über Gebetsräume und kleine Tempel. Männer spielen Mahjongg in neonhellen Hinterzimmern. Eine altersschwache Druckerpresse rattert vor sich hin, Geschirr klappert, auf den Balkonen flattert Wäsche im Wind. Ross Alley, Waverly Place oder Spofford Street heißen diese Hinterhöfe, in denen die Zeit still steht – in einer Stadt, die sich so rasant verändert, dass dabei neuerdings auch dem Fortschrittlichsten etwas mulmig wird.
Little Italy
Der Stau ist zu Ende. Langsam zuckelt der Trolleybus hinüber nach North Beach, ins italienische Viertel. Zwar ächzen die altersschwachen Busse Mitleid erregend, wenn es mal wieder einen der 43 Hügel hinaufgeht. Doch verglichen mit der Auto-Hölle Los Angeles ist Frisco das Paradies. Und im Paradies brühen sie einen anständigen Espresso. In North Beach laden Cafés und Restaurants zum Dolcefarniente ein. Sie tragen Namen wie „Vesuvio“, „Puccini“, „Trieste“, „Steps of Rome“ oder auch den von Francis Ford Coppola. Der Regisseur der Filmklassiker „Apocalypse now“ und „Der Pate“ hat kürzlich im Erdgeschoss seines Columbus Tower ein Bistro eröffnet. Der schimmelgrüne Bau an der Ecke Columbus Avenue/Kearny Street duckt sich wie ein zuckriges Stück Pistazientorte vor der Transamerica Pyramid, die sich hinter ihm kühn gen Himmel reckt – ein beliebtes Postkartenmotiv. Neben frischer Pizza serviert das Café „Niebaum-Coppola“ die Erzeugnisse des gleichnamigen Weinguts im Napa Valley. Amerikas verrücktester Polizeistreife begegnet mit ein wenig Glück, wer durch North Beach schlendert. Officer Bob Geary und seine Bauchrednerpuppe Brendan O’Smarty patrouillieren seit bald zehn Jahren durch das Viertel. Wenn es irgendwo ein paar Hitzköpfe zu beruhigen gilt, berichtet Geary, wirke das Erscheinen seines vorlauten Partners wahre Wunder. „Only in San Francisco“, sagen die Einheimischen stolz: Nur hier gedeihen Spleens wie der von Officer Geary. So erlaubten die Wähler 1993 in einer Volksabstimmung O’Smartys kuriosen Einsatz im Namen des Gesetzes.
Marina – Yuppie-Biotop
Der Bus fährt nach Westen – entlang der Chestnut Street in die Marina. Schicke Boutiquen und Restaurants, schöne Menschen im Sonnenschein, Mobiltelefonierer in Kaschmirpullovern, alle fahren entweder BMW oder überdimensionierte Luxusgeländewagen, die noch nie eine Staubpiste gesehen haben dürften. Die Marina ist Yuppie-Territorium. Jahrelang war das Konsens in San Francisco. Hierher zogen Krawattentypen aus dem Financial District, denen das diskrete Marin County jenseits des Golden Gate zu verschlafen war. Hier waren sie unter sich, konnten im kalten Wind der Bay joggen, zur Balz in den Safeway-Supermarkt fahren und abends im „Plumpjack Cafe“ Cabernet Sauvignon für 300 Dollar die Flasche schlürfen. Der Rest der Stadt riss Witze über das Reservat für Reiche, das die See beim nächsten großen Beben eh verschlucken würde, weil seine Kolonialstilvillen auf Sand gebaut sind. Das Lachen ist vielen vergangen. Denn die Marina ist nun überall. New Economy und Internet-Revolution haben – bis zum Startup-Sterben zu Beginn des Jahres 2001 – mehr Geld in die Stadt geschwemmt als der Goldrausch von 1849. Die Cyber-Elite verdrängte die eingesessene Arbeiter- und Mittelschicht – und mit ihr all die Künstler, Spontis, Bohemians und Weltverbesserer, die San Francisco zum verrücktesten, liberalsten Flecken Amerikas gemacht haben. „Jagt die dot.coms aus der Stadt!“, fordern nicht mehr nur radikale Aktivisten auf anonymen Flugblättern. Und das in einer Stadt, die noch vor fünf Jahren die Ankunft der Generation @ bejubelt hatte. Fast am anderen Ende der Linie 30, im Sanierungskarree Yerba Buena Gardens, liegt das Multimedia-Zentrum Zeum. Dort lernen Kinder 3D-Animation, Web-Design und digitale Videoproduktion. Hinter dem Zeum stehen handfeste Interessen: Gesponsert von Branchengrößen wie Cisco, Adobe, Hewlett-Packard und Apple bildet es die Computerelite von morgen aus. San Franciscos Wandel zur High-Tech-Kapitale scheint unaufhaltsam. Auch der Nahverkehr wird davon nicht verschont bleiben. Im Sommer, berichtet die Busfahrerin, werden neue Busse angeschafft: neumodische Dinger aus Fiberglas, kein anständiger amerikanischer Stahl mehr. Den alten Rostlauben werden viele hinterhertrauern- genauso wie dem alten San Francisco.
Buchtipp: USA, der ganze Westen